„Shitstorm“ bei Facebook: Verkehrschaos schweißt Einwohner virtuell zusammen

„Shitstorm“ bei Facebook: Verkehrschaos schweißt Einwohner virtuell zusammen

* Stand der Information: Sonntag, 28.06.2015. Für aktuelle Informationen bitte den Link zur Facebook-Gruppe beachten!

Die Sperrung der L554 nach Ubstadt und der Abzweigung zum unbeschrankten Bahnübergang bei der Salzbrunnenstraße löste einen regelrechten „Shitstorm“ im Internet aus. Nachdem am Donnerstag bei Facebook die Gruppe „WIDERSTAND – Gegen Die Vollsperrung der L554“ ins Leben gerufen wurde, haben sich innerhalb von nur einem Tag hunderte Betroffene zusammengefunden. Die erzürnten Autofahrer schalteten die Presse ein, taten Ihren Unmut an offiziellen Stellen kund und zwangen die Stadtverwaltungen von Kraichtal und Ubstadt- Weiher zum schnellen Handeln. In Kooperation mit der Stadt Bruchsal wurde schließlich in einer spontan einberufenen Krisensitzung die provisorische Ausschilderung und Nutzung eines landwirtschaftlichen Weges organisiert – links vom Erlenhof kann man jetzt in Richtung Bruchsal „abkürzen“. Bereits am Freitagabend war die Strecke befahrbar.

Die Gemüter in Kraichtal sind erhitzt, jedoch nicht wegen der Temperaturen. Die Komplettsperrung der L554 Richtung Ubstadt und die Schließung des „Schleichwegs“ bei der Salzbrunnenstraße in der letzten Woche wollten sich die Autofahrer aus Kraichtal nicht gefallen lassen, und so formierte sich Widerstand im Internet. Innerhalb von nur einem Tag erzwang dieser „Shitstorm“ eine Reaktion der Behörden. Laut Duden handelt es sich bei einem solchen um einen „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“, wobei es angebracht ist zu bemerken, dass die Diskussionen größtenteils gesittet abliefen und die Menschen ihrem Ärger, wenn auch teilweise emotional, doch meist in einem anständigen Ton Ausdruck verliehen.

Autofahrer empört

Viele Autofahrer waren wegen der Situation ohnehin bereits angespannt, doch die Sperrung der Abzweigung zum Bahnübergang löste die bisher größte Empörung aus. Hier war das Verkehrschaos besonders groß und die Verantwortlichen sahen sich aufgrund des hohen Fahrzeugaufkommens zu einer Sperrung gezwungen. Laut einem Pressebericht sah auch die AVG dringenden Handlungsbedarf für eine Sperrung, denn der Bahnübergang ist unbeschrankt und die Verkehrssicherheit des schmalen, maroden Weges sei nicht zu gewährleisten. Viele Autofahrer ließen sich das schlichtweg nicht bieten, der Weg wurde weiter genutzt und so wurde die Polizei eingeschaltet, um die Autofahrer zur Umkehr zu zwingen.
Die betroffenen Autofahrer taten ihren Unmut über die Polizeikontrolle natürlich im Internet kund, denn wie es scheint, hatte es ein Kommunikationsproblem seitens der Behörden gegeben – die Öffentlichkeit war wohl früher über die Freigabe des Feldwegs als Umleitung informiert worden als die Polizisten vor Ort. Zu mindestens zwei Personen sollen die Polizisten gesagt haben, dass die Informationen in der Presse nicht stimmen würden.
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Dass man den Super- und den Dorgeriemarkt nicht erreichen konnte, weil die Strecke bereits am Ortsausgang von Unteröwisheim als „Sackgasse“ ausgewiesen wurde, war nicht nur für die Kunden unverständlich. Sie sollen jetzt aber erreichbar bleiben, doch der Bahnübergang darf nur noch von Ubstadt-Weiherern zum Einkaufen und dank Sondergenehmigung auch vom Zulieferverkehr für die Märkte genutzt werden. Die Mitarbeiter des Drogeriemarktes bedankten sich sogar mit Schildern und Gratisproben bei ihren Kunden, die trotz Baustelle zum Einkaufen kommen.

Nachvollziehbare Kritik

Die Kritikpunkte der Betroffenen sind nachvollziehbar: Berufspendler müssen große Umwege auf sich nehmen, wodurch sich nicht nur die komplette Tages- bzw. Zeitplanung ändert, was besonders für Schichtarbeiter ein großes Problem darstellt, sondern weil auch mehr Kraftstoff getankt werden muss, was zum Einen ins Geld geht, zum Anderen die Umwelt belastet. Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen regelmäßig Arzt- oder Physiotherapiepraxen aufsuchen müssen und diesbezüglich unter Termindruck stehen, haben durch die Umleitung ebenfalls ein Problem. Dass man nicht mehr zum Drogerie- und Supermarkt fahren können sollte, wurde als unzumutbar empfunden. Zudem wurde eine mangelnde Kommunikation der zuständigen Stellen mit der Bevölkerung im Vorfeld der Baumaßnahmen beanstandet. Insgesamt wird die gesamte Planung der Baumaßnahmen und der Umleitungen sehr kritisch betrachtet, den Verantwortlichen wird mangelnde Weitsicht vorgeworfen. Das Chaos sei vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Die von vielen seit langer Zeit herbeigesehnte Umgehungsstraße war natürlich auch ein Thema.
Kritisiert wurde aber auch das rücksichtslose Verhalten einiger Autofahrer, die sich rasenderweise über Geschwindigkeitsbeschränkungen auf den Schleichwegen hinwegsetzen und mit gewagten Fahrmanövern sich und andere Autofahrer gefährden. Es entstand eine rege Diskussion, nicht nur mit Unmutsbekundungen, sondern auch konstruktiven Lösungsvorschlägen.

Feldweg als Umleitung nach Bruchsal

Viele hatten sich bei Behörden und der Presse gemeldet, um die unzumutbare Situation anzuprangern. Die Verantwortlichen reagierten prompt und so konnte bereits am Freitag bei einer kurzfristigen Krisensitzung eine Umleitungslösung mit der Stadt Bruchsal gefunden werden. Die Abzweigung der L554 auf Höhe des Erlenhofs in Unteröwisheim am „Rußgraben“ führt zur B3 nördlich von Bruchsal. Auf dieser Strecke herrscht ein Tempolimit von 30 km/h. Der gesunde Menschenverstand gebietet angesichts der Streckenbeschaffenheit, dass sich die Autofahrer daran halten.
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Die Gruppenmitglieder posten weiter fleißig ihre Meinung, Updates zum Verkehrschaos und auch Bilder. Mit dieser Aktion zeigt sich einmal mehr, was die Vernetzung der Menschen einer Region, wenn auch nur virtuell, im realen Leben bewirken kann.
Die Forderung nach einer Umgehungsstraße ist lauter denn je. Es bleibt spannend, denn die Bauarbeiten dauern noch bis mindestens Mitte September an.
Dieser Artikel erscheint am 1. Juli im Kraichtalboten.
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